Die Geschichte der Stechuhr
Ursprünge der Zeiterfassung
Wer an Stechuhren und Stempelkarten denkt, der würde ihren Ursprung am ehesten in den Fabriken der Frühindustrialisierung vermuten. Die Geschichte der Zeiterfassung beginnt jedoch in den Amtsstuben des späten 18. Jahrhunderts. Ziel war es die Beamte, deren Pflichtbewusstsein nicht besonders ausgeprägt war, zu einem regelmäßigen Arbeitsverhalten zu erziehen. Die ersten Uhren folgten einem denkbar einfachen Prinzip. Jeder Beamte hatte eine persönliche Kennmarke, die er durch einen Schlitz in eine Spezialuhr warf. Während das äußere Gehäuse feststehend war, drehte sich innen ein in Fächer unterteilter Behälter mit der Zeit mit. Wurde die Marke zu spät eingeworfen, so war die Unpünktlichkeit des Beamten sofort sichtbar. (1)
Die erste mobile Zeiterfassung: Die Wächterkontrolluhr
1801 greift der Münchner Polizeidirektor Anton Baumgartner Rumfords die Idee auf, um die Rundgänge seiner Polizisten zu kontrollieren. Denn auch hier mangelt es an Verlässlichkeit. Die sogenannten Wächterkontrolluhren wurden zunächst stationär genutzt. Erst die im Schwarzwald entwickelten tragbaren Nachtwächterkontrolluhren von Johannes Bürk waren ein durchschlagender Erfolg und legten den Grundstein für die nachfolgende Entwicklung der Zeiterfassungssysteme. (1)
Arbeiterkontrollapparate
Mit Beginn der Industrialisierung rückt eine neue Zielgruppe in den Fokus der Kontrolluhren-Industrie: Die Arbeiter. 1879 meldete Richard Bürk ein Patent für einen Arbeiter-Kontrollapparat an, der die Anwesenheit und Aufenthaltsdauer der Arbeiter in der Fabrik aufzeichnete.
„Über ein System von Marken, die an einer Nummerntafel auf- und niederklappbar mit Hebeln mechanisch gekoppelt sind, werden Federn Schreibhebel auf eine umlaufende, mit Papier bespannte Trommel gedrückt.“ (2)
Dieser Apparat ist jedoch leicht zu manipulieren und wirtschaftlich durch den hohen Papierverbrauch zu teuer.
1897 entwickelte Bürk den sogenannten „Billeteur“, bei dem die Uhrzeit auf eine Karte gestempelt wird. Die ursprüngliche Idee dazu kommt aus den USA. Hier sind vor allem zwei Familie mit der Herstellung von Kartenapparaten erfolgreich: Die Brüder Willard LeGrand und Howard Bundy aus dem Staate New York und die Brüder Dey aus Schottland. (3)
Der Durchbruch der Stempeluhr: International-Recorder
Am 30. Oktober 1894 meldet Daniel M. Cooper aus Rochester im Staate New York die wichtigste Erfindung im Bereich der Kontrolluhren an: den Workman’s Time Recorder. Das Innovative an diesem Apparat ist der automatische Kartenvorschub, der es ermöglicht, mehrere Zeitstempelungen auf eine Karte zu drucken. Damit ist er allen anderen Systemen überlegen. Ab 1903 wird der Kartenapparat nach kleineren technischen Verbesserungen als „International-Recorder“ vermarktet.
1910 beherrscht die International Time Recording Co. den Markt weitgehend. Nach mehreren Firmenzusammenschlüssen entsteht 1911 die Computing-Tabulating-Recording Company, die sich 1924 in International Business Machines Corporation – besser bekannt als IBM – umbenennt. Nach Erschließung neuer Geschäftsbereiche in der Produktion von Rechenmaschinen und Computern verkauft IBM 1958 seinen Kontrolluhren-Sektor an die Simplex Time Recording Company. (4)
Die Stechuhr
Das Wort Stechuhr wird als Synonym für die Stempeluhr benutzt. Ursprünglich beschrieb der Begriff die technische Umsetzung der Zeiterfassung, wie sie in Wächterkontrolluhren zu finden ist. Denn die einzelnen Kontrollgänge wurden in Form von Löchern in einen Papierstreifen gestochen. Eine „echte“ Stechuhr wird ab 1894 von der Simplex Time Recording Company hergestellt. Bei diesem Trommelgerät muss der Arbeiter eine Taste drücken, die dann ein Loch in ein Stück Papier sticht. Der Nachteil ist das zeitaufwendige Auslesen der Daten. Ende der 1920er Jahre wird dieses Prinzip noch einmal aufgegriffen. Die Firma Siemens & Halske stellt ein Gerät her, das Löcher in eine Stempelkarte sticht. Die Auswertung erfolgt mit einem sogenannten Deckrahmen. Großbetriebe nutzen ab 1930 eine elektrische Rechenmaschine, die dem Prinzip des Lochkartensystems nach Hollerith folgen. (5)
Zeiterfassung heute und Arbeitszeitflexibilisierung
Stechuhr und Stempeluhr haben mit der Etablierung des Computers in den Büroalltag schon lange ausgedient. Heute werden Arbeitszeiten über digitale Terminals, PC-Anwendungen oder Mobile Apps erfasst. Dabei steht immer weniger die Kontrolle über die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter im Fokus, sondern das elektronische Arbeitszeitkonto. Durch die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist die Personalzeiterfassung zu einem Instrument geworden, mit dem sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer kontrollieren können, ob die vertraglich vereinbarte Soll-Arbeitszeit erfüllt wird.
Zudem bieten moderne Zeiterfassungssysteme weitere vielfältige Möglichkeiten für die Personalarbeit. So können Urlaubsanträge direkt über das System abgewickelt werden. Auch ein Schichtplaner ist möglich. Die gewonnenen Daten werden direkt und ohne teuren Personalaufwand in elektronische Lohn- und Buchhaltungssysteme gespielt. Stunden, die im Kundenauftrag geleistet wurden, können ebenfalls direkt mit Stundensätzen versehen und in ein Rechnungssystem überspielt werden. Aus der ehemaligen Wächterkontrolluhr ist somit eine umfangreiche und ganzheitliche HR-Software geworden.
- „Zeit-Ordnung: Eine Geschichte der Stechuhr“, Diplomarbeit, Gudrun Kopf, Weimar 2002, S. 4 ff
- ebenda, S. 18
- ebenda, S. 19
- ebenda, S. 22-24
- ebenda, S. 24-26
- Bild 1: emen49 (fotocommunity.de)
- Bild 2: Wikipedia
- Bild 3: Frank Lindecke (flickr.com)
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